Neues Projekt zur KIS-basierten Patientenrekrutierung

Klinische Studien sind das Rückgrat medizinischer Forschung. Doch fast jede Dritte hat mit massiven Problemen zu kämpfen, die notwendige Zahl an Probanden zu finden. Zwar ist bei den Patienten die Bereitschaft zur Teilnahme an Studien meist vorhanden, doch ist es für ein Studienzentrum in der Regel mit erheblichem Aufwand verbunden, Patienten, die die Einschlusskriterien für eine Studie erfüllen auch rechtzeitig "zu entdecken", über die Studie zu informieren und deren Einwilligung zur Teilnahme einzuholen. 

Dabei schlummern mittlerweile in vielen Krankenhäusern dank der elektronischen Krankenakte bereits viele Informationen darüber, ob ein Patient für die Teilnahme an einer bestimmten Studie geeignet wäre. Doch diese Daten bleiben heute noch weitgehend ungenutzt.

"Wie kann man Daten aus der elektronischen Krankenakte zukünftig verstärkt nutzen, um die klinische und die translationale Forschung zu verbessern?" Diese Frage stellte schon vor Jahren Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch (Lehrstuhlinhaber für Medizinische Informatik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und nannte die Antwort darauf als eine von drei großen Herausforderungen der Medizinischen Informatik [1]. 

Daher initiierte er 2008 innerhalb der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (kurz TMF.e.V.) die Entwicklung einer TMF-IT-Strategie und gründete in der deutschen Fachgesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS e.V.) die Projektgruppe "Nutzung von elektronischen Patientenakten für die klinische Forschung". 

Die Ergebnisse eines Teilprojekts zur Prüfung der Verwendbarkeit der Daten aus zwei Krankenhausinformationssystemen (KIS) in Erlangen und Münster im Rahmen des TMF-IT Strategie Projekts waren so vielversprechend, dass Professor Dr. Martin Dugas, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik und Biomathematik an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster gemeinsam mit den Erlanger Medizin-Informatikern, dem Zentrum für Informations- und Medizintechnik des Universitätsklinikums Heidelberg, dem Koordinierungszentrum für Klinische Studien der Universität Düsseldorf, der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie der Universität Gießen sowie der TMF einen Antrag zur Durchführung eines deutschlandweiten Projekts zur Evaluierung der KIS-Werkzeuge an den fünf beteiligten deutschen Universitätsklinika zum Zweck der Unterstützung bei der Rekrutierung von Patienten für klinische Studien initiierte.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert nun dieses Verbundprojekt über 2 Jahre. Damit soll eine wichtige Brücke geschlagen werden – eine Brücke über die derzeit noch breite Kluft zwischen der Wissenschaft, die Patienten für Studien und somit medizinischen Fortschritt benötigt, und den Krankenhäusern, die bei der Suche helfen können. 

In dieses Projekt werden die fünf verschiedenen KIS-Umgebungen der beteiligten Partner und damit die Produkte aller großen deutschen KIS-Hersteller einbezogen. Zunächst sollen die Informationssysteme analysiert werden, um herauszufinden, wie sie jeweils zur Identifikation von Studienpatienten und zur Dokumentation im Rahmen der Patientenrekrutierung – so der medizinische Fachbegriff – genutzt werden können. Im nächsten Schritt wird die Eignung der KIS-Routinedaten anhand von konkreten Studien geprüft. Basierend auf diesen Analysen soll eine verallgemeinerbare Architektur für die Unterstützung der Patientenrekrutierung durch KIS-Werkzeuge konzipiert, beispielhaft umgesetzt und klinisch erprobt werden. Am Ende wird bewertet, wie groß der notwendige IT-Aufwand im Vergleich zum tatsächlichen Nutzen für die Forschung ist.

Die Erwartungen sind jedenfalls sehr hoch, auch weil bereits erste, sehr positive Pilotprojekte an den Universitätsklinika Erlangen, Münster und Gießen durchgeführt wurden. [2, 3]
Am Ende des BMBF-Projektes sollen Spezifikationen und Empfehlungen zum Einsatz der KIS-basierten Patientenrekrutierung entstehen sowie konkrete Anforderungen an die KIS-Hersteller zur Weiterentwicklung ihrer Produkte. 
Kontakt: Prof. Dr. H.U. Prokosch / Dr. T. Ganslandt; 
E-Mail:  ulli.prokosch@uk-erlangen.de

[1] Prokosch HU, Ganslandt T: Perspectives for medical informatics – reusing the electronic medical record for clinical research. Methods of Information in Medicine 48/1(2009): 38-44.

[2] Dugas M, Lange M, Muller-Tidow C, Kirchhof P, Prokosch HU: Routine data from hospital information systems can support patient recruitment for clinical studies. Clinical Trials 2010; 0: 1-7.

[3] Ganslandt T, et al.: Single-Source-Projekte am Universitätsklinikum Erlangen. Forum der Medizin-Dokumentation und Medizin-Informatik 2010,2: 62-66.